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Georg Herzberg
wird am 20.09.1893 als Sohn von Max und Hedwig Herzberg in Magdeburg geboren.
Dort verbringt er seine Kindheit und Jugend.
Er lebt von 1916 bis 1936 in Braunschweig und gründet in Braunschweig eine Lebens- und Futtermittelagentur, mit der er seine eigene Familie gut unterhalten kann. Nach der sogenannten Machtübernahme durch die Nationalsozialisten werden die Juden wirtschaftlich ausgegrenzt, so dass das Einkommen der Familie Herzberg bis zu ihrer erzwungenen Auswanderung praktisch aufhört. Auch gesellschaftlich werden die Herzbergs geächtet.
Seit September 1914 ist Georg Herzberg Soldat im Ersten Weltkrieg. Er ist Frontkämpfer für sein Heimatland und kämpft im 5. Westfälischen Infanterie-Regiment 53 an der Westfront vor Verdun. Durch eine Kriegsverletzung, die er sich im Sommer 1916 zugezogen haben muss, ist seine linke Hand komplett gelähmt.
Anlässlich des 20. Jahrestages des Kriegsbeginns wird am 13.07.1934 das Ehrenkreuz für Frontkämpfer vom Reichspräsidenten Hindenburg gestiftet. Er gehört zu den 100.000 Juden, die im Ersten Weltkrieg für Deutschland kämpfen. Außerdem beantragt Georg Herzberg das Ehrenkreuz wahrscheinlich, weil er hofft, dass ihn dann ein weniger schlimmes Schicksal erwartet.
Er arbeitet zunächst als Geschäftsführer in der Max Moser KG in Braunschweig; diese Firma ist zu der Zeit für die alleinige Mehlverteilung für Braunschweig zuständig.
Georg Herzberg wohnt bis 1919 Bruchtorwall 10 in Braunschweig.
Am 22. April 1919 heiratet er Alice Josephine Herzberg geb. Herzberg.
Alice Josephine Herzberg
wird am 19.01.1891 in Leipzig als Tochter der Eheleute Anna Herzberg (geb. Frank) und Louis Herzberg geboren und wohnt zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits in Braunschweig. Vor der Eheschließung zieht Alice Josephine Herzberg von Leipzig nach Altona, Ottenser Marktplatz 13.
Von dort aus kommt sie nach Braunschweig.
Die Wohnung in der Hennebergstraße ist die gemeinsame Familienwohnung der Herzbergs.
Im Jahr der Eheschließung beginnt Georg Herzberg damit, seine eigene Firma zu gründen. Er meldet das Gewerbe am 01.10.1919 an; die Firma befindet sich Damm 11. Es ist ein Kleinhandel mit „Material, Tabak und ähnlichen Waren“.
Wohl seit 1920 führt er hauptsächlich einen Großhandel mit der Vermittlung von Getreide und Futtermitteln, Zucker und Trockenschnitzeln.
Herzberg schreibt in seinem Wiedergutmachungsantrag, seine Kundschaft seien Betreiber von Mühlen und Getreidehändler gewesen. Er habe ein Auto gehabt, um wöchentlich die Börsen in den umliegenden Städten und seine Kundschaft zu besuchen. 1930 meldet er darüber hinaus ein Gewerbe zur „Vermittlung von Hypotheken, Darlehen und Grundstücken“ an.
Sein Einkommen unterliegt Schwankungen.
Der wirtschaftliche Abstieg beginnt mit dem sogenannten Warenhaussturm in Braunschweig, der am Vormittag des 11.03.1933 von dem SS-Führer Alpers seinen SS-Männern befohlen wird.
Sie sollen Zivilkleidung tragen und ihr Handeln soll dem einer erregten „Volksmenge“ gleichen. Dann sollen sie in kleinen Gruppen oder einzeln auf den Kohlmarkt in die Nähe der jüdischen Kaufhäuser (Adolf Frank und Karstadt) kommen, dort auf den „Pfiff“ warten und dann die Schaufensterscheiben der Kaufhäuser zerschlagen. Auch Alpers nimmt an dieser Aktion teil.
Nach diesem Vorfall werden die Kaufhäuser vorübergehend geschlossen.
„Am Nachmittag des gleichen Tages hielt Alpers, nunmehr wieder in SS-Uniform, in der Öffentlichkeit eine Ansprache, in der er die Angriffe gegen die jüdische Gesellschaft missbilligte und sie kommunistischen Ruhestörern zur Last legte.“
(Quelle: R. Bein, Juden in Braunschweig, Nach den Ermittlungen der Justiz 1950, S. 52)
Georg Herzberg befindet sich vom 03.04.1933 bis zum 19.04.1933 in der Untersuchungshaftanstalt Rennelberg in Braunschweig, wohl weil er dem jüdischen Glauben angehört. Im Haftbuch des Gefängnisses ist kein Grund für seine Haft angegegeben. In der Wiedergutmachungsakte von Georg Herzberg findet sich folgende Erklärung:
„Am 03. April 1933 begab ich mich freiwillig in Schutzhaft. Der betreffende Beamte der politischen Abteilung belehrte mich, dass ich als freiwilliger Schutzhäftling auf meinen Antrag das Recht auf jerderzeitige Freilassung habe. Ich beantrage nunmehr meine sofortige Entlassung aus der freiwilligen Schutzhaft.“
Er muss noch acht Tage warten, bis man ihn wieder entlässt.
(Quelle: Akten des Präsidiums des NDS. Verwaltungsbezirks Braunschweig betr. Schutzhaft, 11.04.1933)
Annelise Herzberg
wird am 31.01.1920 in Braunschweig geboren. Sie lebt mit ihrer Familie in der Hennebergstraße 8. Sie hat ihr Leben in einem Kapitel des Buches „Odyssey of Exile – Jewish women flee the nazis for Brazil” (erschienen 1996) dokumentiert, das uns ihre Großnichte Ilona Herzberg zugesandt hat. Wichtige Inhalte hieraus werden im folgenden Text wiedergegeben.
Sie wächst mit ihrem Bruder Hans Herzberg auf, der am 07. Februar 1923 auch in Braunschweig
geboren wird. Annelise besucht sie das Städtische Oberlyzeum für Mädchen.
Nach der Machtübernahme durch die Nazis überlegen ihre Eltern, wie es mit der Familie weitergehen soll. Sie haben keine Verwandten im Ausland, die ihnen bei einer Flucht helfen könnten. Rabbiner Dr. Gärtner schlägt vor, dass Herzbergs ihre Tochter mit einem Kindertransport, bestehend aus jüdischen Kindern, in die USA schicken sollen.
Amerikanische Juden und jüdische Organisationen (z.B. HIAS) setzen sich für die Rettung von jüdischen Kindern ein,
die von den Nazis verfolgt werden.
Am 27.01.1935 gehen 150 jüdische Jugendliche in Hamburg an Bord des Schiffes.
Annelise wird vorübergehend von der Familie Rosenhain aufgenommen. Dr. Rosenhain lebte in Braunschweig, er war der Arzt der Familie Herzberg. Später kommt Annelise zu der Familie Erlanger, die in Manhattan wohnt. Während ihres Aufenthalts bei dieser Familie schließt sie sehr erfolgreich die Senior High School in New York ab.
Nun steht sie vor der Entscheidung, ob sie in den USA bleiben oder zu ihren Eltern nach São Paulo in Brasilien gehen soll, die sich dort seit 1936 im Exil befinden. 1938 sieht die 18-Jährige ihre Eltern und ihren Bruder endlich wieder.
Annelise verlobt sich im Alter von 22 Jahren mit dem deutschstämmigen Alfred Strauss in São Paulo.
1943 findet dort ihre Hochzeit statt. Die beiden bekommen drei Söhne und sechs Enkelkinder.
Annelise studiert Medizin und wird Ärztin für Kinderheilkunde und Allergie. Von ihrer Großnichte Ilona erfahren wir, dass sie eine der führenden Medizinerinnen Brasiliens wird. Sie widmet sich der ehrenamtlichen Arbeit und hilft in der Gemeinde.
Sie stirbt am 04.09.2006 im Alter von 86 Jahren an Krebs.
Ein Jahr nachdem die Tochter Annelise über den Kindertransport in die USA gebracht wurde,
gehen Georg, seine Frau Alice Josephine und ihr Sohn Hans nach São Paulo in Brasilien ins Exil.
Bis Anfang 1937 verdient Georg Herzberg in São Paulo nichts.
Von Anfang 1937 bis April 1939 betreibt er ein Uhren- und Bijouterien-Importgeschäft unter dem Namen Jorge Herzberg. Dieses Geschäft bringt nichts ein. Es folgt eine feste Anstellung als Büroangestellter mit einem geringen monatlichen Gehalt. Die Familie lebt unter finanziell sehr schwierigen Bedingungen.
Im Laufe der Jahre wird Georg Herzberg ein erfolgreicher Unternehmer in São Paulo.
1954 stellt Georg Herzberg einen Wiedergutmachungsantrag. Bis zu einer abschließenden Entscheidung vergehen Jahre. Am 21. Juni 1955 schreibt der 62-jährige Georg Herzberg einen Brief an den Regierungspräsidenten in Braunschweig, in dem er erneut darauf hinweist, dass er bis zu seiner Auswanderung 1936 eine Rente für seine Kriegsverletzung erhalten habe.
Danach seien die Zahlungen auf ein Sperrkonto eingegangen, über das er nicht verfügen konnte. Nun fordert er zum einen eine Nachzahlung seiner Kriegsversehrtenrente seit 1936 und zum anderen die Wiederaufnahme der monatlichen Rentenzahlungen für seine Kriegsverletzung im Ersten Weltkrieg.
Am 10.10.1955 teilt ihm das Bundesversorgungsamt Bremen mit, ihm stehe eine monatliche Rente von 31 DM zu. Eine Entschädigung in Höhe von 1766 DM für die vorenthaltenen Rentenzahlungen seit 1950 wird ihm ebenfalls zugesprochen. Weitere Zahlungen für die Zeit seit 1936 werden geprüft.
Da Georg Herzberg als selbständiger Geschäftsmann seit 1933 wirtschaftlichen Schaden erlitten hat, billigt ihm die Bundesrepublik Deutschland eine Rentenzahlung zu. In einem Schreiben vom 8.2.1962 wird Georg Herzberg mitgeteilt: Ab 1.1.1961 ändert sich die Höhe seiner Rente.
Er hatte sie auf dem Klageweg erstritten.
Georg Herzberg stirbt am 16.10.1962 in São Paulo an den Folgen eines Schlaganfalls.
Alice Josephine Herzberg überlebt ihren Ehemann mehr als 20 Jahre.
Sie stirbt am 13. Juli 1983 im hohen Alter von 92 Jahren.
Hans Herzberg
wird am 07.02.1923 in Braunschweig geboren.
Nachdem der 13-Jährige mit seinen Eltern 1936 vor den Nazis nach São Paulo geflohen ist, kann er dort ein freies Leben führen. Hans gehört zu einer Gruppe junger Leute, die wie er dieselben Erfahrungen mit den Nazis gemacht haben, auch sie emigrierten nach Brasilien. Sie teilen die gleichen Interessen für Literatur, Musik, aktuelle Ereignisse und Politik.
Er ist in dieser Gruppe der Wortführer.
Später wird er Präsident der größten jüdischen Gemeinde von São Paulo.
Hans heiratet als 28-Jähriger Margrit Holzheim 1951; sie haben zusammen einen Sohn, der Rafael heißt, und zwei Töchter, Eliana and Jeanete.
Hans ist Fabrikbesitzer und er entwickelt als Elektroniker zum Beispiel die Ausstattung von Wasserkraftwerken. Er ist sehr beliebt bei seinen Freunden, Arbeitskollegen und Angestellten und in der jüdischen Gemeinde.
Hans Herzberg stirbt am 4. Mai 1987 im Alter von 64 Jahren an einem Gehirntumor.
(Dieser Text ist eine Zusammenfassung dessen, was SchülerInnen und Lehrerin umfangreich herausgefunden und zusammengefügt haben. Der Orginaltext befindet sich im Archiv der Gedenkstätte KZ-Außenlager Schillstraße, Braunschweig)
Recherche: Schülerinnen und Schüler der Realschule Maschstraße, Braunschweig,
mit ihrer begleitenden Lehrerin Frau Ahlers-Görlach, 2016-2017