Erna Wazinski wurde am 7. September 1925 in Ihlow geboren und starb am 23. November 1944 in Wolfenbüttel.
Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Vater Rudolph Wazinski starb am 16. Februar 1938, als Erna noch keine 13 Jahre alt war.
Erna lebte mit ihrer Mutter, Wilhelmine Wazinski, geb. Chmielewski, in der Langedammstr. 14 im Magniviertel. Sie war, nach Schulabbruch, Heimaufenthalten und diversen Anstellungen als ungelernte Kraft zuletzt als Arbeiterin in einem Rüstungsbetrieb tätig.
Sie wurde im Alter von 19 Jahren wegen angeblicher Plünderung nach dem Bombenangriff vom 15. Oktober 1944 auf Braunschweig von einer Nachbarin denunziert und vom Sondergericht Braunschweig auf Grundlage der am 5. September 1939 erlassenen Verordnung gegen Volksschädlinge als „Volksschädling“ zum Tode verurteilt.
Was hatte Erna verbrochen?
Bei dem schweren Bombenangriff in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober 1944 war das Haus, in dem sie und ihre Mutter wohnten, völlig ausgebrannt. Gemeinsam mit ihrem Freund Günther Wiedehöft holte die Neunzehnjährige aus dem Keller des zerstörten Hauses dort untergebrachte Sachen. Außer dem Koffer und einem Rucksack von Erna nahm sie einen weiteren Koffer mit, den sie anfangs möglicherweise noch für den Koffer ihrer Mutter hielt. Bevor Erna Wazinski am 20. Oktober 1944 von Kriminalbeamten abgeführt wurde, konnte Günther Wiedehöft noch die von den Schlägen der Polizisten her-rührenden Blutspuren an Mund und Nase von Erna sehen. Als das Sondergericht am 21. Oktober 1944 gegen 12.00 Uhr das rechtskräftige Todesurteil verkündete, waren seit der Festnahme nur 17 Stunden vergangen.
Die Braunschweiger Richter unter dem Vorsitz von Dr. Walter Lerche zogen die „Volksschäd-lingsverordnung“ heran. Danach konnte die Todesstrafe ausnahmsweise verhängt werden, wenn es sich um einen „typischen Volksschädling“ handelte. Das bejahten die Richter, ob-gleich sie an anderer Stelle vermerkten: „Die Verurteilte hatte den Eindruck eines harmlosen jungen Mädchens hinterlassen.“
Erna Wazinski, die ein Geständnis erst nach Misshandlungen durch Kriminalbeamte abge-legt hatte und für die zuvor zwei Gnadengesuche gestellt worden waren, starb im Strafgefängnis Wolfenbüttel unter dem Fallbeil. Der Fall kam nach dem Krieg über einen Zeitraum von 40 Jahren mehrfach wieder vor deutsche Gerichte. 1952 milderte ein Gericht das alte Strafmaß.
Die Mutter von Erna Wazinski kämpfte jahrzehntelang vergeblich für eine Rehabilitierung ihrer Tochter. Im Jahre 1965 bestätigten Braunschweiger Richter das grausame Urteil. Die „Volksschädlingsverordnung“ Hitlers sei geltendes Recht gewesen. Sie habe nicht jene Grundgedanken der Gerechtigkeit und Menschlichkeit verletzt, wie sie sich bei allen Kultur-völkern herausgebildet hätten. „Rechtsfehlerfrei“ habe das Sondergericht Erna Wazinski auch als todeswürdigen „typischen Volksschädling“ angesehen.
Im Jahre 1990 versuchte der Wolfenbütteler Jurist Dr. Helmut Kramer es noch einmal, das Urteil gegen Erna Wazinski aufheben zu lassen. Im Jahre 1991 musste das Braunschweiger Landgericht den Fall noch einmal aufrollen. Auch die Richter von 1991 konnten sich nicht dazu durchringen, das Unrecht ihrer Vorgänger einzugestehen. Sie sprachen Erna frei, ohne aber den Richtern von 1944 auch nur den geringsten Fehler vorzuwerfen.
Die fast vollständig erhaltenen Prozessakten liegen heute im Staatsarchiv Wolfenbüttel.
Recherche und große Teile des Textes: Dr. Helmut Kramer