Familie Magnus
Das Leben der Familie Magnus in Braunschweig, zuletzt wohnhaft in der Pestalozzistraße 6, passt fast auf ein Blatt Papier, wie es sich im Stadtarchiv findet. Dort werden, vermutlich aus Gründen der nun beabsichtigten Ausreise, die Vermögensverhältnisse aller 4 Wohnungsinsassen zusammengestellt.
Die Kaufmannswitwe Helene Magnus, geb. 16.3.1857 als Helene Griesbach, Mutter von vier Kindern, lebt 1938 bei ihrem jüngsten Sohn Kurt, dessen Ehefrau Else und beider Sohn Rolf. Sie erlebt die Pogromnacht in Braunschweig in dem Wohnhaus Pestalozzistr. 6. Unter dem schockierenden Eindruck dieser Erlebnisse entschied sie sich 1939, nach Südafrika zu fliehen, wo schon ihr Sohn Max und ihre Tochter Ella lebten. Helene Magnus stirbt zwei Jahre später 1941 in Johannesburg.
Kurt Magnus, geb. 7.3.1894 und jüngster Sohn von Helene, arbeitet zunächst bei den Gebrüdern Sauer, mit denen er verschwägert ist, in deren Viehhandlung. Nach der Emigration der beiden nach Südafrika bzw. Uruguay, wechselt Kurt Magnus als Expedient in das Kaufhaus Adolf Frank, wo er bis zu dessen Arisierung ein gutes Auskommen zu haben scheint.
Else Magnus, geb. 25.10.1895 als Else Sauer, ist die Ehefrau von Kurt Magnus und lebt mit ihm bis zur Flucht nach Uruguay in Braunschweig.
Der Sohn Rolf Magnus wird am 4.9.1921 in Braunschweig geboren. Er besucht nach seiner Grundschulzeit an der Pestalozzischule, an die er sich gern zurückerinnert, zunächst die Gaußschule, an der er sich als Schüler wohlfühlt und integriert ist. Er nimmt an den Schulfahrten ins Harzheim teil und strebt nach dem Abitur einen technischen Beruf, eventuell mit dazu gehörigem Studium an.
Zwar spürt er schon durch antisemitische Sticheleien einer seiner Lehrer, seine Sonderstellung in der Klasse, doch wird er sich deren erst bewusst, nachdem er mit anderen Schülern und Lehrern an die Oberrealschule für Jungen hintern Brüdern ausgelagert wird. Hier erfährt er den Terror eines seiner Mitschüler und die passive Teilnahmslosigkeit der Mitschüler und Lehrer. Auch wird er erstmalig von der Harzheimfahrt ausgeschlossen.
Seine Lernlust sinkt und er wird nicht versetzt. Nach dem so genannten Rust-Erlass Grund genug, ihn abzuschulen. Er bekommt mit Glück eine offene Lehrstelle im Kaufhaus Adolf Frank als Elektrotechniker, sein Vater folgt ihm dorthin wenig später.
Mit der Arisierung des Geschäfts 1938 verlieren Kurt und Rolf Magnus ihre Stelle und können nun Else Magnus überzeugen, ebenfalls eine Ausreise – wie schon Bruder und Schwester zuvor, ins Auge zu fassen. Da Südafrika die Einreise verweigert, beabsichtigen sie, dem Bruder Elses nach Uruguay zu folgen. Sie verkaufen ihr Wohnungsinventar und erwerben die zur Einreise nötigen 1.Klasse-Passagen nach Montevideo.
Am frühen Morgen des 9. 11 1938 werden alle vier von fünf Männern aus ihrer Wohnung geholt, darunter auch ein Nachbar, zu dem es vorher normale Kontakte gab.
Kurt und Rolf Magnus werden brutal verprügelt und ins Gefängnis Rennelberg verbracht.
Von dort führt sie der Weg über das „Zuchthaus“ Wolfenbüttel ins KZ Buchenwald, wo sie Furchtbares erleben.
Über den von Else Magnus eingeschalteten Konsul von Uruguay kommen sie am 14.11.1938 frei, bekommen aber sofort wieder Probleme mit dem Besitzer der gekauften, aber in der Pogromnacht nun zerstörten Möbel.
Mit Glück entgehen sie einer erneuten Verhaftung und können am 22.11.1938 mit dem französischen Schiff Groix nach Montevideo ausreisen, nicht ohne zuvor noch um das letzte Geld in Hamburg betrogen worden zu sein.
Kurt Magnus arbeitet in Montevideo bei seinem Schwager und liefert Fleisch aus.
Rolf Magnus findet aufgrund seiner technischen Vorkenntnisse ebenfalls eine Anstellung und macht sich später mit einer Firma für Sicherungsanlagen selbstständig.
Er gründet eine Familie, ist heute Vater zweier erwachsener Kinder und besuchte Braunschweig seit den 60er Jahren mehrfach.
Recherche: 2013-Schülerinnen und Schüler
des Hofmann von Fallersleben Gymnasiums