Minna Faßhauer

 

Minna Faßhauer, geb. Nikolai, wurde am 10.10.1875 in Bleckendorf (Kreis Wanzleben) in eine Arbeiterfamilie geboren. Ihre Eltern waren der Arbeiter Theodor Nikolai (im Sterbeeintrag Kurt Jakob Nikolai) und dessen Ehefrau Dorothea, geb. Schmidt.

Der Vater starb 1878, als Minna drei Jahre alt war, sie erlebte eine von Not geprägte Kindheit. „Meinen Vater habe ich nicht gekannt. Er starb, als ich 3 Jahre alt war. „Meine Mutter erhielt keinerlei Unterstützung und so mussten wir Kinder sehr früh mithelfen, unser Brot zu verdienen“ (Wahlkampfflugblatt der KPD zur Kommunalwahl 1946

Von 1881 bis 1889 besuchte Minna die Volksschule in Bleckendorf, musste neben der Schule aber arbeiten, um die Familie zu unterstützen: „Ich habe schon als Kind von 6 Jahren zum Lebensunterhalt der Familie beisteuern müssen“ (Lebenslauf von 24.3.1947)

Schon kurz nach der Schulentlassung musste Minna Nikolai „in Dienst bei fremden Leuten“ (Wahlkampflugblatt der KPD zur Kommunalwahl 1946), 1893 kam sie als Dienstmädchen nach Braunschweig.

Sie lernte dort den fünf Jahre älteren Schmied Johannes Georg Fa0ßhauer kennen, der sie „in die Organisationen der Arbeiterschaft“ einführte. Beide heirateten am 16. April 1899 in St. Michaelis in Braunschweig.

1903 wurde der Sohn Otto, 1906 der Sohn Walter geboren. Zu diesem Zeitpunkt lebte das Ehepaar Faßhauer bereits in der Weststr. 12, heute Hugo Luther-Str. 12.

1903 trat Minna Faßhauer, die schon von Jugend an mit sozialistischen Schriften vertraut war, in die SPD ein. Dort engagierte sie sich in besonderer Weise für die Anliegen von Frauen, für die Arbeiterkinder und die Jugendbildung.

Minna Faßhauer dazu:

„Schon als junges Mädchen hatte ich Gelegenheit, sozialistische Schriften zu lesen. (…) Wir Frauen durften damals noch nicht am öffentlichen politischen Leben teilnehmen. Wir kamen dennoch heimlich zusammen.

Der von uns Frauen geführte Kampf, voll unterstützt durch die Männer, führte 1908 zum Siege und damit zu unserer Gleichberechtigung im Versammlungsleben. Von da ab stand ich ständig in den Reihen der kämpfenden Arbeiterschaft, habe auch meine Söhne in diesem Sinne erzogen“ (zitiert nach Heide Janicki).

1908 wird Minna von der Partei zur Nürnberger Frauenkonferenz (der SPD, J.S.) delegiert, die unter der Leitung von Calar Zetkin und Luise Zietz stand. Beschlossen wurden dort u.a. die Bildung von Kinderschutzkommissionen, die Schaffung von Kindergärten in den Kommunen und die Organisierung von Kinderfreizeiten“ (Heide Janicki).

Minna Faßhauer setzte sich für das Frauenwahlrecht ein, war von 1913 bis 1915 Mitglied der Kinderschutzkommission der SPD und wirkte während der Kriegsjahre an Kinderfreizeiten für Arbeiterkinder mit.

Politisch konnte sie die Befürwortung der Kriegskredite durch die SPD am 4.8.1914 nicht mittragen, näherte sich den Positionen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an, vertrat eine strikte Antikriegshaltung, wurde Mitglied im Spartakusbund und später dann, nach Spaltung der SPD, ab 1917 Mitglied der USPD

Im Zuge der Novemberrevolution wurde am 8.11.1918 in Braunschweig ein Arbeiter- und Soldatenrat eingesetzt und der Herzog zur Abdankung gezwungen. Am 10.11.1918 wurde in Braunschweig die „Sozialistische Republik Braunschweig“ ausgerufen und eine Regierung von Volkskommissaren eingesetzt.

Minna Faßhauer wurde das Amt der Volkskommissarin für Volksbildung übertragen. Damit war sie die erste Ministerin in Deutschland.

„Minna Faßhauer brachte 1918 als Volkskommissarin für Volksbildung Gesetze auf den Weg, die bis heute Wirkung entfalten: Befreiung der Schulen von der Oberhoheit und Weisungsbefugnis der Kirche, Schaffung der gesetzlichen Grundlage für weltliche Einheitsschulen, an denen die Geschlechtertrennung aufgehoben wurde, Verbannung von Kriegs- und Fürstenverherrlichung aus den Schulbibliotheken und aus dem Unterricht“ (Heide Janicki):

 

Sie übte das Amt vom 10.11.1918 bis zum 21.2.1919 aus. Bei der ersten Landtagswahl am 22.12.1918 wurde Minna Faßhauer zur Abgeordneten der Braunschweigischen Landesversammlung gewählt. Im Anschluss an die Landtagswahl kam es im Februar 1919 innerhalb der Arbeitsbewegung und ihren Parteien zum Konflikt um die zukünftige Verfassung des Landes und die Stellung des Arbeiter- und Soldatenrates. „Zwar hatte am 22. Februar im Parlament Minna Faßhauer noch für den Verfassungskompromiß gestimmt, denoch verzichtete sie auf ihre Funktion in der Regierung und legte Anfang März auch ihr Landtagsmandat nieder. Am 22.2.1919 endete die Räterepublik in Braunschweig und im März trennte sich der Spartakusbund als KPD von der USPD. Minna Faßhauer entschied sich für die radikale Politik der KPD.“ (Prof. Dr.h.c. Gerd Biegel).

Im Herbst 1919 zerbrach die KPD reichsweit. Minna Fasshauer „schloss … sich, wie auch August Merges, der Kommunistischen Arbeiterpartei (KAPD) an, die im April 1920 vom bisherigen linken Flügel der KPD gegründet wurde.“(Dr. Bernd Rother)

Minna Faßhauer bleibt weiterhin politisch aktiv, wie radikal und mit welchen Mitteln sie kämpfte, lässt sich aus den Quellen nicht eindeutig belegen. Im Juli 1921 wurde sie wegen „Vergehens gegen das Entwaffnungsgesetz“ zu vier Monaten Gefängnis und 300 Mark Geldstrafe verurteilt, die Strafe wurde durch eine Amnestie erlassen.

Am 6.9.1921 wurde Minna Faßhauer verhaftet, weil man sie verdächtigte „an der Herbeischaffung des Dynamits beteiligt gewesen“ zu sein, das im Juli 1921 bei einer Reihe von Sprengstoffanschlägen verwendet wurde. Im März 1922 wurde sie zu 9 Monaten Zuchthaus verurteilt, angesichts der langen Untersuchungshaft wurde aber der Haftbefehl vom Gericht aufgehoben. „Der Verteidiger Victor Fränkl, selbst Mitglied der linksradikalen Freien Arbeiter-Union Deutschlands und laut Wikipedia damals „Staranwalt für politisch Verfolgte“, kritisierte zwar den Untersuchungsrichter scharf, dankte aber dem Vorsitzenden Richter für die mustergültige Verhandlungsführung.“ (Dr. Bernd Rother)

 

Wie sehr Minna Faßhauer nach 1933 politisch aktiv war, lässt sich durch Quellen nicht belegen. Als 1934 eine Widerstandsgruppe bei der Verteilung von Druckschriften von den Nationalsozialisten gefasst wurde, nutzte die Politische Polizei die Gelegenheit, „ohne Rechtsgrundlage auch gegen weitere unliebsame Gegner vorzugehen und es wurden weitere 16 Verdächtige verhaftet“ (Prof. Dr.h.c. Gerd Biegel), unter ihnen, am 27.5.21935, Minna Faßhauer. Ihr wurde, zusammen mit August Merges, ein Hochverratsprozess in Braunschweig gemacht, laut Schreiben der Politischen Partei vom 9.10.1935 wurde sie am 5. Oktober 1935 in Schutzhaft genommen. „Nach einer ersten Verurteilung wegen Hochverrat war Minna Faßhauer in der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht freigesprochen worden, jedoch von der Politischen Polizei nicht freigelassen. Am 24. Oktober 1935 wurde sie in das KZ Moringen eingeliefert, aus dem sie erst am 13. Januar 1936 gesundheitlich erheblich geschwächt entlassen wurde.

Bis 1945 aber hatte Minna Faßhauer unter der Überwachung durch die Gestapo und zeitweiligen Hausdurchsuchungen zu leiden“ (Prof. Dr.h.c. Gerd Biegel).

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft war Minna Faßhauer wieder für die KPD aktiv.

Minna Faßhauer starb, während einer Frauenversammlung der KPD in Hannover, am 28. Juli 1949 an einem Gehirnschlag.

 

Zusammengefasst von Jutta Salzmann auf folgenden Grundlagen

  • Biographischen Dokumentation zu einem aktuellen Diskurs von Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel, Braunschweig 2013
  • Stolpersteine-Präsentation von Heide Janicki vom 25.3.2014
  • Vortrag von Dr. Bernd Rother, Braunschweig, 18.11.2014
  • Akte Minna Faßhauer aus Moringen (Acc. 105/96 Nr.81)

Rede aus Anlass der Würdigung am 29.06.2015