Gerhard und Leopold Scheyer

gingen von 1929 bis 1935 auf das Gymnasium Gaußschule, das sie aufgrund der Ausgrenzung jüdischer Schüler aus dem öffentlichen Schulsystem 1935 verlassen mussten.
Ihr Vater war Paul Scheyer.

Ihr Großvater war Leopold Scheyer, geb.am 16.5.1852 in Bleicherode.
Seine Frau, die Mutter ihrer drei Kinder, Paul, Erich und Emilie-Esther ist
Henriette Scheyer, geb. Katzenstein, wurde am 26.6. 1861 in Kassel geboren.

Leopold erwarb eine Konservenfabrik (Maseberg) in Braunschweig, Wiesenstraße 1.
Kurz vor seinem plötzlichen Tod zog die Familie in die Goslarsche Straße 61,
wohin auch die Firma verlegt wurde.

Paul Scheyer wurde am 10. Mai 1886 in Braunschweig geboren.
Sein Bruder Erich  am 26.7.1887,
Seine Schwester Emilie-Esther am 15.4. 1889 . Sie wanderte 1924 in die USA aus.
Dort nannte sie  sich Galka Scheyer und wurde als Kunstsammlerin und Mäzenin
(Die Blaue Vier) in den USA berühmt.

Paul heiratete in Braunschweig,  die am 23.3.1893 in Berlin geborene
Paula Eisenstein.

Paul übernahm mit seinem Bruder Erich 1909 nach dem Tod des Vaters die Konservenfabrik Maseberg, damals die größte der 35 Konservenfabriken Braunschweigs,
die sie von der Wiesenstr.1  in die Goslarsche Str. 61 verlegten.

Die Söhne von Paul und Paula Scheyer  wurden am 28.10.1918 und 2.3.1920  in Braunschweig geboren.  Es sind Leopold und Gerhard.
Für die nun vierköpfige Familie kaufte Paul 1923 das Grundstück Petritorwall 30,
wo die Familie seitdem wohnte.

Leopold  und Gerhard besuchten die Grundschule „Versuchsschule Reichstraße“.
Diese Schule war eine Reformschule, die in der Nähe der Pädagogischen Akademie Braunschweig entstanden war. (Ausbildungsstätte für Volksschullehrerinnen und -lehrer).
Anschließend lernten sie im Gymnasium Gaußschule, welches sie 1935 verlassen mussten.

Ab 1936 waren die Brüder Leopold und Gerhard in London .

Leopold war seit dem 11.Mai 1936 Lehrling in der Fa Barclay & Fry Ltd ,London.
Gerhard seit dem 11. Mai 1936  in der Fa George Cohen Sons §  Comp London.

Am 19.7.1936 stellt der Vater Paul für die Brüder einen Antrag,
ihnen regelmäßig Geld schicken zu dürfen.
Paul hatte  3000,- Schweizer Franken Internationale Anleihen mit einer 7% Verzinsung.
Er bittet am 19. Juli 1936 darum, diese Anleihe verkaufen zu dürfen und 50% des Erlöses
an seine Söhne in monatlichen Raten zu überweisen.

Den Gegenwert der restlichen 50% stellt er der Reichsbank zur Verfügung.
Das wird genehmigt.
Die Söhne erhalten in London 400 RM monatlich.
Am 20.10.1936 stellt der Vater einen erneuten Antrag:
“ Meine Söhne Leopold und Gerhard befinden sich zur Zeit zur Berufsausbildung in London. Mitte Dezember haben sie einen mehrwöchigen Urlaub . Ich bitte um die Genehmingung, ihnen die Fahrkarten zu schicken.
London – Braunschweig. ausländischer Fahrkostenanteil 26,80.
Das wird genehmigt.
Am 22.3.1937 stellt der Vater l nochmals einen Antrag,
seinen Söhnen Geld regelmäßig zu überweisen.  Auch das wird genehmigt.

Die Weltwirtschaftskrise führte zum wirtschaftlichen Niedergang der Konservenfabrik.
Hinzu kamen die Repressionen der Nationalsozialisten gegen jüdische Unternehmer.
Am 30.6.1938 sahen sich die Brüder Paul und Erich Scheyer gezwungen,
ihre Firma an die Konservenfabrik Meinecke zu verkaufen.
Im gleichen Jahr versuchten Paul und Paula Scheyer, ihr Grundstück am Petritorwall 30 zu verkaufen, jedoch ohne Erfolg. Haus und Grundstück am Petritorwall 30 wurden „arisiert“.
Das Geld kam auf ein Sperrkonto, welches für die Scheyers nicht zugänglich war.

Am 10. November 1938 werden die Geschwister Paul und Erich verhaftet
und in das KZ Buchenwald deportiert.
Sie kommen  mit der Auflage frei, Deutschland umgehend zu verlassen.

Am 12.12. 1938 stellt Paul den Ausreiseantrag für sich und seine Frau.
1939 flohen Paul und Paula ohne ihre Söhne in die USA.
Galka Scheyer konnte ihnen dabei helfen.

Henriette Scheyer, die Großmutter von Leopold und Gerhard,
stirbt im jüdischen Altenheim in der Eilenriede, Hannover.
Todestag 24.02.1941.  Todesursache  „Lungenentzündung – Grippe. Herzschlag“.

Nach 1945:
Spätesten 1946, das genaue Datum konnte nicht ermittelt werden,
wanderten  die Brüder Leopold und Gerhard  ebenfalls in die USA aus.

Ein Teil der Familie geht davon aus,  dass Henriette Scheyer
sich am 24.1.1942  das Leben nahm angesichts der bevorstehenden Deportation.

Am 1.2.1956  starb Paul Scheyer  in New York.
Im Januar 1977 starb seine Frau Paula, ebenfalls in New York.

Am  29. 06.1989 starb Gerhard Scheyer in Ellsworth, USA.
Am  31.10. 2002 starb Leopold Scheyer in Hamden, USA.

Recherche: Braunschweig, Gaußschule 12.Klasse, 2012
Knut Kühne, Lena Pfeiffer, Aaltje Mazur
Ergänzung: Rita Weiler, Lehrerin i R  2023

Ergänzung: Gilbert Holzgang  2023

Der amerikanischen Teil der Familie  behauptet, dass Henriette Scheyer sich das Leben nahm angesichts der bevorstehenden Deportation.
Durch einen Brief kann dieses belegt werden.
Bernard Shire (der Sohn von Erich Scheyer, in England lebend) schrieb an die amerikanische Professorin Peg Weiss.  Sie hatte den ganzen Galka Scheyer-Nachlass zur Verfügung und nahm mit Bernard Shire Kontakt auf.
Er schrieb ihr am 9. April 1985, bei seinen amerikanischen Verwandten, insbesondere durch Jerry Scheyer (= Gerhard, Paul und Paulas jüngeren Sohn) werde  behauptet, Henriette habe sich das Leben genommen, um der bevorstehenden Deportation zu entgehen.
Ein Todestag-Datum nannte Bernard Shire nicht.

Henriette Scheyers  Todestag, der 24.2..1941, im Seniorenheim der Minna-James-Heinemann-Stiftung in Hannover ist belegt durch zwei
Dokumente:   die Meldung der Oberin beim Standesamt und den Sterbebuch-Eintrag
des Standesamtes Hannover.
Standesamt Hannover II, Nr 2928_0188/194, sowie Nr. 1302_0188/1941

Weitere Quellenangaben  von  Michael Wettern:
Staatsarchiv Wolfenbüttel 18 R Zg.17/2003, Nummer 31, 32, 574, 575, 1183

Der Todestag ist nicht der  24.01.1942, wie im Buch „Sie lebten in Braunschweig“ von Reinhard Bein S. 388 zu lesen ist.